Gärten zur Versorgung und zur Erholung – Naturschutz gehört zum Gesamtkonzept
Es ist Mitte Juni. Während die Stadt Kassel sich immer weiter aufheizt, ist in der Riedwiesensiedlung eine angenehme Kühle spürbar. Jeder Baum, jeder Strauch und sogar das „Unkraut“ (unerwünschtes Begleitgrün ist der Fachausdruck), zwischen den Grundstücken, in Ecken und den Bachläufen, sorgt dafür, dass die Temperatur um ein paar Grad fällt. Nicht nur darum ist es wichtig, auf die Vegetation zu achten und die Vorboten trockener Sommer ernst zu nehmen.
Die AG Naturschutz tagt heute zum ersten Mal im Büro der Erbbau. Im Kontext der Energetischen Quartierssanierung soll auch die Tier- und Pflanzenwelt besondere Aufmerksamkeit erhalten. Die im Jahr 1923 gegründete Erbbau-Genossenschaft hatte sich bereits in der Gründungszeit vorgenommen, neben dem Bau von Wohnraum, der ein Leben in einer gesunden Umgebung zu bezahlbaren Preisen möglich machte, auf Selbstversorgung und gemeinschaftliche Gestaltung des Wohn- und Lebensraumes zu achten. Jedes Haus hat seinen Garten, den zu bewirtschaften und die Fähigkeiten und Kenntnisse über Pflanzenanbau weiterzugeben, war Teil des Konzeptes vor 100 Jahren. Die AG Naturschutz greift diesen Punkt jetzt wieder auf.
Die Mitgleider der Genossenschaft in der Gruppe werden prominent unterstützt von der Universität Kassel durch Prof. Dr. Stefan Körner (FG Landschaftsbau, Landschaftsmanagement und Vegetationsentwicklung) und seinen Mitarbeiter Dr.-Ing. Florian Bellin-Harder, sowie von Detlef Wagner, Ansprechpartner von KasselWasser für Naturnahe Gestaltung von Gewässern, und Volker Lange vom Umwelt- und Gartenamt der Stadt Kassel.
Unter der Moderation von Arno Scheer, KEEA GmbH und der Mitwirkung von Ingolf Linke, NH-Projektstadt und zuständig für die Freiraumplanung im Projekt, war bereits die erste Sitzung der AG ein guter erster Aufschlag für die Artenvielfalt.
„Hier in der Siedlung sind vor allem die Kulturpflanzen sehr interessant. Es ist viel verwilderte Vegetation sichtbar. Pflasterfugenvegetation und der Randbewuchs an Zäunen und Bachläufen, das alles ist eine unglaubliche Vielfalt. Auch die Tradition der Selbstversorgung ist für die Artenvielfalt wichtig“, sagte Bellin-Harder.
Obgleich die Uni Kassel nicht sofort mit einem Studierendenprojekt einsteigen kann, wie Prof. Körner mitteilte, sei man sehr an einer Zusammenarbeit interessiert. Wie die genau aussehen könne, müsse noch besprochen werden, wahrscheinlich wäre ein Projekt erst im Sommersemester 2024 möglich. „Wir stehen aber schon jetzt für Rückfragen zur Verfügung. Auch die Beratung in Sachen Anbau und Naturschutz ist durch die UNI möglich. „Wir können fachlichen Input und Unterstützung anbieten“, so Körner.
In der Siedlung muss der Naturschutz nicht erst Fuß fassen. Es gibt ihn schon. Der Umgang mit der Natur und den Ressourcen ist gut, kann aber noch verbessert und der künftigen Herausforderung für Pflanzen und Tiere angepasst werden. In einer Umfrage soll darum in Erfahrung gebracht werden, wie die Gärten jetzt genutzt werden und was sich die Menschen bei der Gartennutzung noch wünschen, ist ein Garten-Sharing möglich? Wer kann seinen Garten nicht mehr bewirtschaften oder pflegen und möchte ihn anderen zur Verfügung stellen? Diese und weitere Fragen erwarten die Siedlungsbewohner:innen in der Umfrage. Zudem sollen Mitmachaktionen und Seminare angeboten werden, Baumschnitt und Rasenpflege ist ein wichtiges Thema, oder der Umgang mit Nutzgarten und Spalierobst. „Vielleicht erklären die Älteren den Jüngeren, wie das geht?“, schlägt Arno Scheer vor.
Wasser spielt eine zentrale Rolle in der Siedlung, darum beschäftige man sich damit, Wasser zu sammeln und schaue danach, wo der Einbau von Zisternen oder Rigolen möglich wären. Hier sollten Lösungen gesucht werden, die mit der Stadt, den Bewohner:innen und der Denkmalbehörde abgestimmt zur Umsetzung kommen. Vor allem der Parkraum soll unter die Lupe genommen werden. Denn auch der ist beim Thema Naturschutz angesiedelt. Kann man Parkraum auf den Grundstücken schaffen? Ist in Zukunft überhaupt noch so viel Parkfläche nötig? Und könnte Car-Sharing so umgesetzt werden, dass es weniger parkende Autos im Straßenraum und dort mehr Freifläche für Mensch, Tier und Pflanzen gibt?
Aus den Reihen der Bewohner:innen kommt der Hinweis, dass es schon viele Aktionen gab und gerne wieder geben kann. Dazu zählen der Sauerkrautverein, eine Obstpresse, die ausgeliehen werden kann, zwei aktive Imker, das Projekt Urbane Waldgärten oder der Verleih von Gartengeräten, ein Pflanzen-Flohmarkt und vieles mehr.Gemeinsam mit der Uni Kassel eine Vortragsreihe zu den Themen Artenschutz, Vögel füttern, Obstbaumschnitt oder dem Nachpflanzen von klimaresistenten Obstbäumen anbieten zu können, wäre von großem Interesse.
Die AG Naturschutz wird beim Herbstfest des Quartierskonzepts mitwirken; in der nächsten Sitzung werden Ideen dazu gesammelt. Irgendwie scheint alles möglich, wenn man gemeinsam nach Lösungen sucht. Fortsetzung folgt am 13. Juli in der nächsten Sitzung. (Diana Wetzestein, KEEA)